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Entschleunigung und Stille

Ist Ihnen schon aufgefallen, wie still es derzeit ist?

Wenn ich abends draußen stehe und den Sonnenuntergang betrachte, höre ich die Vögel – und die Stille. Klingt paradox, ist aber so. Auch Stille kann man hören und manchmal macht sie einen sogar nervös.

So schrieb mir eine Freundin aus der Schweiz vor einigen Tagen: „Wir realisierten gerade, dass wir keinen Fluglärm haben. Es schon fast unheimlich ruhig.“

Wir sind es kaum mehr gewohnt Stille „auszuhalten“. Obwohl wir in der Zeit vor der Coronakrise häufig betont haben, wie wichtig es ist, abzuschalten, sich den Druck zu nehmen, zu entschleunigen.

Wir sind dafür in die Berge gefahren, um uns mit Hundert anderen an den Aufstieg zu machen und auf dem Gipfel die „Stille“ zu genießen.

Wir sind in unserer knappen Freizeit ins Wellness Hotel gefahren und in die Sauna mit dem „Ruhe bitte“ Schild gegangen.

Wir haben Retreats gebucht und haben stundenlang unseren Atem beobachtet.

All diese Dinge sind wunderbar und sinnvoll, aber jetzt bekommen wir eine „Gratis Entschleunigung“ und einen kostenlosen Kurs im „Aushalten der Stille“, wenn wir uns darauf einlassen.

Wer konnte sich in der Zeit vor Covid-19 wirklich so ausgiebig und ruhig in der Sonne baden, wie der Igel auf dem Bild, ohne nervös zu werden, getrieben und unruhig? Die wenigstens von uns hatten diese Fähigkeit, sich auf das Äußere einzulassen und doch im Inneren geschützt und ruhig zu sein, wie der Igel mit seinem Stachelgewand und seiner Bereitschaft, so etwas Simples wie die Sonnenstrahlen, zu genießen.

Wir können die äußere Stille dazu nutzen, in unsere innere Stille einzutauchen. Auch wenn diese im ersten Augenblick eventuell genauso unheimlich erscheint wie die ungewohnte äußere Stille.

Aber dadurch, dass wir sowieso nirgendwo hinkönnen, auch nicht zu Entspannungs-Seminaren, können wir diese Entspannung und Beruhigung auch gleich selber zu Hause üben.

Dafür braucht es nicht viel, sondern nur den Mut, sich auf das neue Gefühl der Ruhe einzulassen und – vielleicht mit einem Staunen – auf die verschiedenen Geräusche zu lauschen, die nun an unser Ohr dringen können.

Das geht auch in der Stadt und ohne Balkon. Sie können Ihre Fenster öffnen und lauschen. Im ersten Augenblick werden Sie vermutlich nichts hören, aber irgendwann wird Ihnen klar, dass da doch Geräusche sind, dass Sie Vögel hören, den Wind, vielleicht auch Blätterrauschen.

Und Sie stellen fest, dass die Stille nicht still ist, aber sie ist ruhig, entschleunigt.

Ihr Verstand kann zur Ruhe kommen und Sie können feststellen, dass Sie zwar innerlich ruhig sind, aber nicht still. Vielleicht kommen gerade jetzt aus Ihrem Inneren Impulse und Inspirationen ans Licht, die Sie sonst nicht gehört hätten, weil Sie, bzw. Ihr Verstand, zu ruhelos war, zu beschleunigt und die Impulse und Inspirationen Ihres Geistes nicht hörbar waren.

Sie können so - scheinbar - neue, kreative, produktive Potenziale in sich entdecken, wenn Ihr Verstand einmal zur Ruhe kommt. Neu sind diese Potenziale nicht, nur bisher ungehört.

Vieles, auch Ihr Verstand mit seinen Ideen und seiner Klarheit und Struktur, und so auch Ihr Geist mit seinen Intuitionen und Inspirationen, kann seinen Platz finden, gerade gerückt werden, sich in Ruhe wieder in seiner Bahn ausrichten.

Wie eine Bekannte mir sehr treffend schrieb: „Ich empfinde, dass vieles, was vorher ver-rückt war, wieder in vorgesehene Bahnen gerückt wird; ohne lautes Krachen, sondern einfach, weil es sich halt so ergibt…“

Das kann sowohl für die Gesellschaft als auch für Ihr inneres Gleichgewicht gelten, das neben Aktion auch Ruhe braucht, neben Be- auch Entschleunigung, neben einer Zeit des Schaffens auch eine Zeit der Ruhe. Das haben wir mit unserer immer schneller und größer werdenden Gesellschaft und exponentiell wachsenden Wirtschaft viel zu häufig vergessen.

Wie Albert Einstein schon sagte:

„Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.“

Es wäre schön, wenn wir aus dieser entschleunigten Zeit das Bewusstsein für das „heilige Geschenk, den intuitiven Geist“, wie Albert Einstein es nannte mitnehmen und dieses Geschenk nicht wieder vergessen, wenn unsere Gesellschaft wieder Fahrt aufnimmt.